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Wirtschaftliche Entwicklung erneut schwächer, Optimismus nimmt zu

Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Wirtschaftliche Entwicklung erneut schwächer, Optimismus nimmt zu

21. Mai 2024 | Die wirtschaftliche Lage bei den Ostschweizer Unternehmen hat sich weiter abgeschwächt. In den exportorientierten Branchen besteht nach wie vor ein Mangel an Auslandsaufträgen. Allerdings scheint der Tiefpunkt erreicht und der Optimismus nimmt zu. Der Binnenmarkt ist weiter robust. Im Bausektor ist nach dem Boom bei den energetischen Sanierungen eine Normalisierung im Gange.

Die Abkühlung in der Ostschweizer Wirtschaft fand im letzten Quartal eine erneute Fortsetzung. Erstmals seit Ende 2020 wird die Geschäftslage nicht mehr als positiv eingeschätzt. Dies ist in erster Linie der weiterhin schwachen konjunkturellen Lage im Exportsektor geschuldet.

Industrie weiter schwach, erste Aufhellungen sichtbar

In der Industrie trübte sich die Stimmung nochmals ein und wird noch knapp als befriedigend eingeschätzt. Die Auftragslage, insbesondere im Export, erweist sich weiterhin als herausfordernd. «Vier von zehn Ostschweizer Industrieunternehmen berichten von einem zu kleinen Auftragsbestand», erklärt Jan Riss, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Vor allem im Maschinenbau entwickelten sich die Auslandsaufträge weiter rückläufig. Es zeigen sich aber auch erste Aufhellungstendenzen in einzelnen Industriezweigen. Positive Zeichen kommen insbesondere aus der Datenverarbeitungs- und Elektronikbranche, welche oft früh auf konjunkturelle Veränderungen reagiert. Dort haben sich sowohl Geschäftslage als auch die Erwartungen jüngst deutlich verbessert. Weiterhin robust zeigt sich die Nahrungs- und Genussmittelindustrie.

 

Aufträge dürften anziehen, Lagerabbauzyklus nähert sich dem Ende

Die ersten positiven Signale aus der Industrie dürften sich in den kommenden Monaten weiter verstärken. Die geopolitischen Risiken, welche punktuell immer wieder für Störmanöver beim Warenfluss sorgen können, bleiben zwar weiter präsent. Die Aussicht auf baldige Zinssenkungen in Europa und den USA sowie das Abklingen des Lagerabbauzyklus dürften der globalen Nachfrage nach Ostschweizer Industriegütern aber sanften Schub verleihen. Auch im wichtigen Abnehmermarkt Deutschland haben sich die Erwartungen teilweise leicht verbessert, wenn auch ausgehend von einem tiefen Niveau. Die jüngste Abwertung des Schweizer Frankens – nicht zuletzt aufgrund des SNB-Leitzinsentscheids – nimmt etwas Druck von der Exportindustrie. Die Ostschweizer Industrieunternehmen rechnen in der Folge mit einer leicht verbesserten Geschäftslage für die nächsten sechs Monate. «Einen erneuten Boom erwarten wir nicht. Aber die positiven Impulse dürften sich, ausgehend aus den USA und China, im zweiten Halbjahr verstärken», meint Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte der St.Galler Kantonalbank.

Bauwirtschaft weiter robust

Weiter solide aber nicht mehr ganz so rund läuft es im Bausektor. Die Auftragslage ist weiterhin gut und reicht bis weit ins zweite Halbjahr hinein. «Allerdings ist insbesondere im Baunebengewerbe eine gewisse Normalisierung nach dem Boom bei energetischen Sanierungen festzustellen», so Schiffhauer. Die Stimmungslage hat sich auf hohem Niveau etwas eingetrübt. Das Bild bestätigt sich in der Tendenz auch auf gesamtschweizerischer Ebene, wenn auch nicht so ausgeprägt. «Das Hauptproblem der Baubranche bleibt aber nach vor der Mangel an Arbeitskräften. Weiterhin ist rund jedes zweite Unternehmen davon betroffen», führt Beat Schiffhauer weiter aus.

 

Gastgewerbe und Detailhandel unterschiedlich

Sowohl die Gastronomie als auch die Hotellerie vermelden eine leicht verschlechterte Geschäftslage. «Die Verschlechterung in der Ostschweizer Hotellerie kommt allerdings ausgehend von einem Beinahe-Rekordjahr an Übernachtungen im Jahr 2023. Belastend wirken zudem weniger die Nachfrage als die kostenseitigen Treiber wie Energie und Personal», ergänzt Jan Riss. Der wichtigen Sommersaison blicken die Ostschweizer Hotels zudem mehrheitlich optimistisch entgegen.

 

 

Wieder besser läuft es im Detailhandel. Insbesondere das Geschäft mit Nahrungs- und Genussmitteln sowie IT-Geräten wird als gut bewertet. Eher schwierig ist das Geschäft mit Haushaltsgeräten und Kraftstoffen an Tankstellen. Laut der Detailhandelsumsatzstatistik ist der inflationsbereinigte Umsatz in den letzten zwei Quartalen leicht gewachsen. Damit konnte der seit Sommer 2021 beobachtete Abwärtstrend aufgefangen werden. Auch die Erwartungen der Ostschweizer Detailhändler sind nach wie vor positiv. Die befragten Unternehmen äussern sich sowohl zur erwarteten Geschäftslage als auch zum erwarteten Gesamtumsatz optimistisch. «Die hohe Arbeitsplatzsicherheit sowie die wieder vorherrschende Preisstabilität stützen den privaten Konsum», so Riss.

 

 


Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft. Basis dafür bilden die regelmässigen Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.

Das Konjunkturboard setzt sich wie folgt zusammen: Vonseiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Jan Riss, Chefökonom, sowie Fabio Giger, Research Analyst, und vonseiten der St.Galler Kantonalbank aus Céline Koster, Konjunkturexpertin, sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen, Daniel Lehmann, Leiter Amt für Wirtschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden, sowie Thomas Reinhard, Leiter Projekte und Wirtschaftsfragen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

 

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz publiziert quartalsweise zwei gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes: Den Geschäftslageindikator und den Stimmungsbarometer.

Der Geschäftslageindikator basiert auf den regelmässigen Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der KOF. Die befragten Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage als «gut», «befriedigend» oder «schlecht». Der Saldowert entspricht dem Prozentanteil «gut»-Antworten minus dem Prozentanteil «schlecht»-Antworten. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst. Er basiert auf den Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der KOF und der Konsumentenbefragung des SECO. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.