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Ostschweizer Wirtschaft weiter auf Erholungskurs

Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Ostschweizer Wirtschaft weiter auf Erholungskurs

15. Februar 2022 | Die Erholung der Ostschweizer Wirtschaft setzt sich ungeachtet der Omikron-Welle und von Lieferengpässen fort. Die Geschäftslage ist weiterhin in fast allen Branchen gut bis sehr gut. Dabei erweist sich die Ostschweizer Wirtschaft dynamischer als die Gesamtschweiz. Die Unternehmen sind zuversichtlich, dass sich die positive konjunkturelle Entwicklung fortsetzt. Der Mangel an Materialien und Vorprodukten sowie die stark steigenden Preise bleiben massgebliche Erschwernisse.

Der Geschäftslageindikator der Kernregion Ostschweiz stabilisierte sich im Januar auf einem hohen Niveau. «Fast in allen Branchen wird die Geschäftslage von den Unternehmen weiterhin gut bis sehr gut eingeschätzt», sagt Beat Schiffhauer, Finanz- und Konjunkturexperte der St.Galler Kantonalbank (SGBK). «Dabei verbesserte sich die Geschäftslage in jenen Branchen, in denen sie ohnehin schon gut war. Umgekehrt trübte sich die Geschäftslage in Branchen ein, in denen sie bereits im Vorquartal unterdurchschnittlich eingeschätzt wurde», ergänzt Alessandro Sgro, Chefökonom der Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell. Zu ersterer Gruppe gehörten das verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe und die Finanz- und Versicherungsdienstleister. Im Gastgewerbe verschlechterte sich die aktuelle Einschätzung der Unternehmen hingegen.

In der Industrie ist der Bestellungseingang, der Auftragsbestand sowie die Produktion unverändert hoch, was in der Summe zu einer sehr guten Einschätzung der aktuellen Geschäftslage führte. Ein Grossteil der Unternehmen erwartet, dass sich die Erholung im Frühjahr 2022 weiter fortsetzt und – verglichen mit dem vierten Quartal 2021 – sogar an Fahrt gewinnt. Im aktuellen Quartal werden die Unternehmen ihre Produktion nochmals ausweiten. Das Tempo der Erholung wird aber nicht mehr an jenes vom Frühjahr 2021 anknüpfen. Ein ähnliches Bild wie in der Industrie zeigt sich im Grosshandel. Hier hat sich die Geschäftslage dank einer gestiegenen Nachfrage und einer verbesserten Ertragslage auf einem sehr hohen Niveau stabilisiert. In den kommenden drei Monaten wird mit einer unverändert hohen oder gar höheren Nachfrage gerechnet. Sehr gut unterwegs sind trotz des Wintereinbruchs auch die Unternehmen im Baubereich. Zudem wird in den kommenden drei Monate saisonbedingt eine höhere Nachfrage erwartet. Verschlechtert hat sich hingegen die Geschäftslage im Gastgewerbe. «Sowohl freiwillige Verhaltensänderungen als auch verschärfte Restriktionen trugen zu einer reduzierten Nachfrage bei», erklärt Schiffhauer. Die Geschäftslage im Detailhandel hat sich im letzten Quartal erwartungsgemäss auf einem hohen Niveau stabilisiert. «Trotzdem wirken Sättigungstendenzen und eine verschlechterte Konsumentenstimmung dämpfend», erklärt Sgro.

 

Die wirtschaftliche Erholung setzt sich in der Kernregion Ostschweiz im neuen Jahr fort

Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer haben sich auf hohem Niveau stabilisiert
(Ausführungen zu Methodik und Interpretation am Ende des Dokuments)

 

Mangel an Materialien und Vorprodukten hoch, Preissteigerungen dämpfen

Die Geschäftslage könnte im warenproduzierenden und -vertreibenden Bereich (Industrie, Bau, Detail- und Grosshandel) noch besser ausfallen, kämpften sie nicht mit einem erheblichen Mangel an Materialien und Vorprodukten. In der Region St.Gallen-Appenzell ist dieser verglichen mit der Gesamtschweiz in der Industrie deutlich ausgeprägter. Rund 70% der Unternehmen sind von einem Mangel an Materialien und Vorprodukten betroffen. Schweizweit sind es 54%. «Dies ist auch auf die Branchenstruktur in der Region zurückzuführen. Denn insbesondere die MEM- und die pharmazeutisch-chemische Industrie kämpfen mit dieser Erschwernis», erklärt Alessandro Sgro. Erste Anzeichen deuten aber bereits auf eine baldige Verbesserung hin.

Die anhaltend hohe Nachfrage und die Erschwernisse bei den Lieferketten sowie die Knappheit an Vorprodukten resultierten in stark steigenden Einkaufpreisen. «Dieser Trend wird sich in diesem Quartal fortsetzen», erläutert Schiffhauer. Der Preiserhöhungsdruck bei den Unternehmen bleibt somit vorerst hoch. Die höheren Produktionskosten dürften sich mit etwas Verzögerung auch in den Konsumentenpreisen niederschlagen.

Beschäftigung angemessen bis zu tief, Fach- und Arbeitskräftemangel überdurchschnittlich ausgeprägt

Weitere Entspannung bringt die wirtschaftliche Erholung am Arbeitsmarkt. Der Personalbestand wird in allen Branchen als angemessen bis leicht zu tief eingeschätzt. «In den nächsten drei Monaten ist insbesondere in der Industrie und dem Grosshandel eine Erhöhung der Beschäftigten möglich», erläutert Schiffhauer. Jedoch bekunden bereits jetzt viele Unternehmen Mühe, qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Noch nie war der Anteil der Unternehmen, die einen Mangel an Arbeitskräften beklagten, so hoch. In der Region St.Gallen-Appenzell sind 30% der befragten Industriebetriebe von einem Arbeitskräftemangel betroffen. Im Baugewerbe sind es gar über 40% der Unternehmen und im Grosshandel sind es über 25%. «Auffallend dabei ist, dass sowohl der Mangel an qualifizierten als auch unqualifizierten Personal stark zugenommen hat», erklärt Sgro abschliessend.

 

Arbeitskräftemangel akzentuiert sich

Die Unternehmen in der Region möchten den Personalbestand tendenziell ausbauen. Die Rekrutierung von Personal bleibt jedoch schwierig.

 

Die Unternehmen des Detailhandels, des Baugewerbes und verarbeitenden Gewerbes werden monatlich befragt, wie sich die Zahl der Beschäftigten in den nächsten drei Monaten entwickeln wird. Die befragten Unternehmen können die Frage mit «steigen», «gleichbleiben» oder «sinken» beantworten. Der Saldowert der gegenwärtigen Einschätzung zur Beschäftigungsentwicklung in den nächsten drei Monaten entspricht der Differenz der Prozentanteile der Antworten «steigen» und «sinken». Ein Wert über Null deutet darauf hin, dass die Zahl der Beschäftigten in den nächsten drei Monaten eher steigen wird, während ein Wert unter null eher einen Abbau der Zahl der Beschäftigten signalisiert.

 

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Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft in den Branchen Industrie, Baugewerbe, Detailhandel, Grosshandel, Gastgewerbe, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie die übrigen Dienstleistungen. Das Konjunkturboard setzt sich von Seiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Alessandro Sgro, Chefökonom IHK, Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter IHK, von Seiten der St.Galler Kantonalbank aus Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie, und Analyse SGKB sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte SGKB, zusammen. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, sowie Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft des Kantons St.Gallen. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können auf der neuen Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Hier finden sich zudem Kontaktinformationen der jeweiligen Konjunkturboard-Mitglieder.

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Um auf schnelle, aber präzise Art und Weise ein systematisches Bild über die Verfassung der Ostschweizer Wirtschaft zu erhalten, sind gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes zentral. Für die Kernregion Ostschweiz stehen zwei Indizes zur Verfügung: Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer.

Der Geschäftslageindikator basiert auf monatlichen oder quartalsweisen Unternehmensbefra­gungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zur aktuellen Einschätzung der Geschäftslage. Dabei geben die befragten Unternehmen ihre Einschätzung mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» an. Der Saldowert zwischen «gut» und «schlecht» – also die Differenz der Prozentanteile – widerspiegelt die aktuelle Geschäftslage. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Die Aggregation der branchenspezifischen Beurteilung der Geschäftslage ergibt den Geschäftslageindikator.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst und dient dazu, das BIP-Wachstum zu verfolgen. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.

Die jeweiligen Konjunkturindizes können auf www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Sie werden monatlich aktualisiert.