Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Erholung lässt auf sich warten
Die Ostschweizer Industrie berichtet von einer zähen Entwicklung. Das globale Umfeld ist weiterhin herausfordernd. Thomas Stucki, Chief Investment Officer der St.Galler Kantonalbank, erklärt: «Die US-Wirtschaft kühlt sich ab, die Wirtschaft in der Eurozone kommt nicht in Fahrt und auch die chinesische Wirtschaft entwickelt sich weiterhin schwach.» Negativ fällt die deutsche Industrie auf, welche weiter in der Krise steckt. Die schwache Nachfrage aus dem Ausland belastet die hiesigen Industrieunternehmen. Besonders ausgeprägt ist die Auftragsflaute in der Elektro- und Optikindustrie. Neben der konjunkturellen Abkühlung im Ausland ist für die Ostschweizer Industrie die Krise in der deutschen Autoindustrie eine Herausforderung. Die in der Ostschweiz stark vertretenen Automobilzulieferer verzeichneten im dritten Quartal einen Exportrückgang von 15%.
Auch das politische Umfeld bleibt herausfordernd. Die Regierungsauflösung in Deutschland sowie der anstehende Machtwechsel in den USA verringern die Planungssicherheit. Hinzu kommen die geopolitischen Risiken, die jüngst wieder zugenommen haben. Vor diesem Hintergrund hat sich der vorsichtige Optimismus der vergangenen Monate als wenig nachhaltig erwiesen. Die Industrieunternehmen berichten von einer erhöhten Unsicherheit über die künftige Geschäftsentwicklung. «Ein zusätzlicher Belastungsfaktor stellt der starke Franken dar», ergänzt Stucki. «Die Geschäftslage dürfte aus all diesen Gründen in den nächsten Monaten nicht substanziell anziehen.»
Geschäftslage im Grosshandel trübt sich ein
Gemäss Jan Riss, IHK-Chefökonom, bekommt auch der Grosshandel die Nachfrageschwäche zu spüren. Rund zwei Drittel der Grosshändler nennen eine ungenügende Nachfrage als Hemmnis für ihre Geschäftstätigkeit. «Insbesondere die Grosshandelsunternehmen im Bereich Maschinen und Ausrüstung, also die Zulieferer der Industrie, berichten von einer zu tiefen Nachfrage», erklärt Riss.
Privater Konsum stützt
Stützend für die hiesige Wirtschaft wirkt weiterhin der Binnenmarkt. Positive Signale kommen insbesondere aus dem Baugewerbe. Die Geschäftslage hat zwar im Vergleich zum letzten Jahr etwas nachgegeben, wird aber nach wie vor positiv eingeschätzt. «Mit einer Auftragsreichweite von knapp fünf Monaten ist die Auftragslage im Baugewerbe weiterhin gut», kommentiert Riss. Für zusätzliche Bautätigkeit dürften auch die tieferen Zinsen sorgen. Im kommenden Jahr ist daher mit einer Erholung der Bauinvestitionen zu rechnen. Die meistgenannte Herausforderung im Baugewerbe bleibt der Arbeitskräftemangel.
Eine gewisse Verlangsamung wurde in den letzten Monaten beim privaten Konsum festgestellt, wenn auch ausgehend von hohem Niveau. So berichten sowohl das Gastgewerbe als auch der Detailhandel von einer Eintrübung der Geschäftslage. Belastet hat gemäss Riss in beiden Branchen erneut das durchzogene Wetter. «Die Ostschweizer Hotellerie hat nach einem Rekord-August einen deutlichen Rückgang der Logiernächte im September verzeichnet.» Insgesamt sind die Bedingungen für den privaten Konsum dank der hohen Arbeitsplatzsicherheit und der Aussicht auf Reallohnerhöhungen aber weiter gut. Der Detailhandel blickt somit auch positiv auf das Weihnachtsgeschäft.
Ostschweizer Wirtschaft zeigt sich resilient
In Anbetracht des herausfordernden geopolitischen Umfelds und der schwachen Entwicklung im Ausland, insbesondere in Deutschland, zeigt sich die Ostschweizer Wirtschaft bisher erstaunlich robust. Auch mit der zuletzt weiter gestiegenen Planungsunsicherheit kann die Ostschweizer Wirtschaft bisher verhältnismässig gut umgehen. Über alle Branchen hinweg hat sich der Geschäftslageindikator für die Ostschweiz im dritten Quartal seitwärts entwickelt. Die Geschäftslage wird weiterhin als neutral beurteilt. Der Stimmungsbarometer verharrt hingegen im negativen Bereich. «In den kommenden Monaten dürfte die Dynamik in der Ostschweizer Wirtschaft vorerst schwach bleiben», so Stucki. Aufgrund der sich abkühlenden US-Wirtschaft sowie der weiterhin schwachen Entwicklung in der Eurozone fehlen aktuell die Impulse für eine kräftige Erholung. «Mittelfristig werden dann die Zinssenkungen der Zentralbanken für einen sanften Rückenwind sorgen», erklärt Stucki.
Konjunkturboard Ostschweiz
Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft. Basis dafür bilden die regelmässigen Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.
Das Konjunkturboard setzt sich wie folgt zusammen: Vonseiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Jan Riss, Chefökonom, sowie Fabio Giger, Research Analyst, und vonseiten der St.Galler Kantonalbank aus Céline Koster, Konjunkturexpertin, sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen, Daniel Lehmann, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Appenzell Ausserrhoden, sowie Thomas Reinhard, Leiter Projekte und Wirtschaftsfragen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.
Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz
Das Konjunkturboard Ostschweiz publiziert quartalsweise zwei gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes: Den Geschäftslageindikator und den Stimmungsbarometer.
Der Geschäftslageindikator basiert auf den regelmässigen Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der KOF. Die befragten Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage als «gut», «befriedigend» oder «schlecht». Der Saldowert entspricht dem Prozentanteil «gut»-Antworten minus dem Prozentanteil «schlecht»-Antworten. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein.
Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst. Er basiert auf den Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der KOF und der Konsumentenbefragung des SECO. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.
Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.